Mit der 18 derzeit die klare Nummer eins

Die Zahl auf dem Trikot zeigt, dass David Nreca-Bisinger beim Fußball-Regionalligisten Großaspach vor der Runde noch nicht als Stammtorwart eingeplant war. Sein Glück war das Pech eines Kollegen, seitdem zeigt das Talent überwiegend gute Leistungen.

Foto: A. Becher | BKZ

Morgen (14 Uhr) muss David Nreca-Bisinger mit der SG Sonnenhof in Bahlingen antreten, sein Pflichtspieldebüt in der ersten Mannschaft gab er jedoch noch in der vergangenen Runde. Am letzten Spieltag, als der Abstieg aus der Dritten Liga längst besiegelt und der Kader aufgrund von schweren Verletzungen, leichten Blessuren und bereits ausgelaufenen Verträgen stark dezimiert war, stand er in Jena zwischen den Pfosten. Der damals 18-Jährige, der vorher nur die Nummer drei war, konnte die 0:1-Niederlage nicht verhindern, deutete sein Talent aber durchaus an. Von einem klaren Plan, ihn nach den Abgängen von Maximilian Reule und Constantin Frommann zum neuen Stammkeeper zu küren, kann trotzdem nicht die Rede sein.

Nach dem knappen 1:0-Sieg beim VfB Stuttgart II im WFV-Pokalviertelfinale der alten Saison, das wegen der Coronakrise erst Anfang August stattfand, musste David Nreca-Bisinger seinen Platz im Kasten zunächst räumen. Der Anlass war die Verpflichtung von Oliver Schnitzler, den einige Aspekte zum Favoriten auf die Rolle als Nummer eins machten. Zum einen seine Erfolge: Der 25-Jährige holte 2014 mit der deutschen U 19 den EM-Titel und wurde beim vorherigen U-17-Turnier zum besten Torwart gewählt. Zum anderen seine Erfahrung im Aktivenbereich: Der gebürtige Gummersbacher, der in der Leverkusener Jugend ausgebildet wurde, brachte es immerhin auf 2 Zweit- und 37 Drittliga-Spiele für Aalen, Heidenheim, Halle und Münster. Nicht allzu viel, aber doch deutlich mehr als der Jungspund aus dem eigenen Stall, der sogar noch für den Rest dieser Saison in der U 19 mitmischen dürfte.

Seit der 0:1-Pleite in Alzenau steht Nreca-Bisinger im Aspacher Tor.

Mit dem 0:6-Debakel im Pokalhalbfinale in Ulm verlief Schnitzlers Premiere sehr unglücklich, auch der neue Keeper langte mal daneben. Er genoss in den drei Runden des neuen Pokalwettbewerbs bis zum Aus in Freiberg sowie in den ersten sechs Regionalliga-Duellen trotzdem das Vertrauen des Trainers, doch es lief beim Drittliga-Absteiger aus Aspach insgesamt nicht rund. Nur vier Punkte und 15 Gegentreffer sagen alles, fünf Tore kassierte allerdings bereits der erst kurz vor dem Saisonstart noch aus Karlsruhe in den Fautenhau gewechselte Mario Schragl: Der 21-Jährige kam beim 0:5 gegen Freiburg II nach 14 Minuten beim Stand von 0:0 auf das Feld, weil Oliver Schnitzler für eine Notbremse die Rote Karte gesehen hatte. Obwohl der Österreicher sogar noch zu den Besseren zählte, schlug bei der folgenden Partie in Alzenau die Stunde von David Nreca-Bisinger. „Schwierig“ sei diese Entscheidung gewesen, sagte SG-Trainer Hans-Jürgen Boysen damals und begründete sie vor allem mit der längeren Vereinszugehörigkeit des Eigengewächses, das daher das Team und die Spielphilosophie besser kenne als der interne Rivale. Trotz der 0:1-Niederlage und dann vor allem beim 3:1-Heimsieg gegen Ulm betrieb der gebürtige Esslinger so viel Eigenwerbung, dass er auch im Tor blieb, als Schnitzler seine Rotsperre nach zwei Spielen verbüßt hatte. Im Dezember zog sich der anfängliche Platzhirsch einen Achillessehnenriss zu, seitdem ist der Status von Nreca-Bisinger als Nummer eins zementiert. Seine bisherige Bilanz: zwölf Regionalliga-Partien über die vollen 90 Minuten mit 14 Gegentoren, aber auch vier Zu-Null-Spielen. Für das Team gab es vier Siege, vier Remis und vier Niederlagen – zu wenig, um sich ins Mittelfeld zu verabschieden, auf dem 17. Platz schwebt Großaspach weiterhin in akuter Abstiegsgefahr. Ein Gewinner ist aber der junge Keeper.

Das sagt der Spieler selbst: „Ich bin froh, dass ich im Tor stehen darf und das Vertrauen von Trainer und Team genieße“, freut sich David Nreca-Bisinger. Am Anfang sei er arg nervös gewesen, „aber die Mannschaft hat mir sehr geholfen“. Mit dem 3:1 gegen Ulm wuchs das Selbstvertrauen bei vielen Akteuren, aber bei ihm im Speziellen. „Ich denke, ich strahle für mein Alter eine gute Präsenz aus“, betont der Schlussmann, der am 18. Januar den 19. Geburtstag feierte. Als Schwäche betrachtet das vor zweieinhalb Jahren vom VfB Stuttgart in den Fautenhau gewechselte Talent den rechten Fuß, dazu gelte grundsätzlich: „Ich habe noch viel zu lernen, weil ich noch jung bin.“ Selbstkritik übt Nreca-Bisinger auch mit Blick aufs 0:1 beim 0:4 in Elversberg, das vor allem Kai Gehring angelastet wurde. Klar, der missratene Rückpass des von zwei Spielern der Hausherren unter Druck gesetzten Innenverteidigers war der letzte Auslöser für das unnötige Gegentor, „aber ich habe ihm den Stress mit meinem Zuspiel eingebrockt. Den Ball muss ich wegschlagen.“ Nächstes Mal wird es der Deutsch-Kosovare, der für das Heimatland seiner Mutter bereits drei U-21-Länderspiele bestritten hat, wohl tun – vielleicht ja schon morgen in Bahlingen, wo die SG nach zuletzt wieder zwei Niederlagen (zum 0:4 in Elversberg kam das 0:1 in Frankfurt) unbedingt zurück in die Erfolgsspur will. „Wir haben die nötige Qualität, eine Serie zu starten“, glaubt Nreca-Bisinger.

So sieht es der Coach: Hans-Jürgen Boysen ist hörbar bemüht, seinen jungen Keeper nicht in den Himmel zu loben. „Er ist ein talentierter Spieler, der seine Sache für einen Noch-U-19-Torwart sehr ordentlich macht“, betont der 63-Jährige. Nicht weniger, aber eben auch noch nicht mehr: „Er kann und muss noch viel dazulernen. Das ist in seinem Alter völlig normal, und er kriegt von uns die Hilfe, die er braucht.“

Das Urteil des Torwarttrainers: Als Stärken seines 1,87 Meter großen Schützlings sieht Heiko Oßner vor allem „das Spiel auf der Linie sowie die Strafraumbeherrschung“, hinzu kämen die Eins-gegen-Eins-Duelle und die mentalen Qualitäten. Umgekehrt „muss seine Beidfüßigkeit bei Rückpässen noch besser werden, in seinen rechten Fuß muss noch mehr Gefühl“, verrät der Inhaber einer Torwartschule im Kreis Göppingen, was auf seiner To-do-Liste ganz oben steht. Insgesamt, so betont der 40-Jährige, habe David Nreca-Bisinger „viel Potenzial und er wird seinen Weg machen, wenn er an seinen Stärken und Schwächen genau so weiterarbeitet wie im Moment“.

Das denkt der Ex-Kollege: Nach Maximilian Reules Einschätzung ist David Nreca-Bisinger „ein ehrgeiziger, junger und positiv-verrückter Torhüter“, der in den vielen gemeinsamen Trainingseinheiten bis zum vergangenen Sommer immer 100 Prozent gegeben und seine Ziele klar im Blick habe. Der 26-Jährige, der mittlerweile den Kasten des Ligarivalen SSV Ulm 1846 hütet, spart also nicht mit Lob für das Talent, hält aber auch ein paar mahnende Worte bereit: „Manchmal hat er für sein junges Alter etwas zu viel Selbstvertrauen und im positiven Sinne eine freche Schnauze. Er muss Tipps des Trainerstabs sowie seiner Berater annehmen.“ Tue er das, „traue ich ihm die Dritte Liga zu, aber er muss sich erst einmal in der Regionalliga etablieren“.

Wie geht es weiter? In den nächsten acht Wochen dürfte David Nreca-Bisinger weiter gesetzt bleiben, wenn er sich nicht allzu viele grobe Patzer erlaubt. Spannender wird es wohl wieder, wenn Oliver Schnitzler den Achillessehnenriss auskuriert und den Trainingsrückstand aufgeholt hat. Das dürfte frühestens im April der Fall sein, laut Hans-Jürgen Boysen wird der Routinier „sehr, sehr behutsam“ wieder herangeführt. Wenn es so weit ist, „dann liegt es an mir“, glaubt Nreca-Bisinger. Dass er es sich zutraut, auch dann die Nummer eins zu bleiben, ist absolut keine Frage.

Quelle: Steffen Grün | Backnanger Kreiszeitung


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